Die Kleidung eines Pest-Medicus um 1656 und heutige Schutzkleidung unter Covid-19 Auflagen
Ich bin der größte Freund von Endzeitgeschichten, ob die S.T.A.L.K.E.R-Reihe auf dem Computer oder das Buch „Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten“ des Schweizer Autoren Christian Kracht. Doch was man in diesen Tagen erlebt, Leute mit extremer Schutzkleidung wie ABC-Schutzmasken im Supermarkt, andere mit Einmal-Mundschutz im Auto oder auf der Straße, dazu menschenleere Parks und abgesperrte verwildernde Spielplätze lassen aus der Fiktion schnell ein unangenehmes und beängstigendes Realitätsbild werden. Und einen an Dystopien denken lässt.
In der Zeit der grassierenden Pest in Italien im 17. Jahrhundert, gab es den sogenannte Pest-Medicus oder einfach Doktor Schnabel genannt. Diese waren Beamte in Städten mit besonders hohen Opferzahlen und waren für die Behandlung der Pest eingewiesen. Diese waren zumeist Chirurgen zweiter Klasse, die sich noch nicht etablieren konnten und Schabernack trieben, indem sie Spezialbehandlungen sowie falsche Heilmittel an betroffene Familien verkauften. Selten konnten diese Pestärzte eine Heilung gewährleisten, da sie Aderlässe verabreichten, Frösche oder Egel auf die Beulen setzten, um so eine „Balance der Körpersäfte wiederherzustellen“. In Wirklichkeit stellten sie meist nur die infizierten oder sterbenden Personen fest – für demografische Zwecke.
Das Frappierendste war ihr Aufzug: Sie trugen eine Schutzkleidung in Form eines gewachsten dunklen Mantels, eine Schnabelmaske, die einem Raben ähnlich sah, mit zwei Augenöffnungen aus Glas. Dazu kamen eng anliegende Lederhandschuhe, die auf die damaligen Menschen wie Klauen wirkten. Darüber hinaus trugen sie einen Stab mit Eisenspitze, um Leute auf Abstand zu halten und sich Notfalls verteidigen zu können. Der Schnabel der Maske war zumeist mit Duftstoffen wie Wacholder, Amber, Zitronenmelisse, grüner Minze sowie Myrrhe oder ähnlichem bestückt, weil man glaubte es würde vor der Pest schützen. Zumindest gegen den Geruch von Verstorbenen und Pestkranken wird es wohl seinen Dienst getan haben. Aber gerade die Kleidung lässt eine Ähnlichkeit zu der heutigen Schutzausstattung erkennen.
Wenn wir eine Überführung von Verstorbenen angehen, ist die höchste Schutzausrüstungs-Form folgende: Schmutzabweisender Veterinärs-Anzug, lange Handschuhe, Mundschutz oder Schutzmaske sowie einer Schutzbrille, um vor Tröpfcheninfektion zu schützen. Und bei starker Geruchsbelästigung kommt ein kleines bisschen Minzöl zwischen Nase und Mund. Das Wichtigste ist, immer wieder, nach jedem Arbeitsschritt die Hände waschen. Nur mit einer allumfassenden Hygiene kann jeder seinen Beitrag zur Bekämpfung des Virus beitragen.
Tom Heider, im November 2020
Fotos: illustrissima, channarongsds