Über 10.000 Sachen entscheiden: Wie man mit Nachlassbegleitung ein Leben aufräumt
Es wird angenommen, dass der durchschnittliche mitteleuropäische Haushalt etwa 10.000 Dinge enthält. Im Gegensatz dazu hatte eine Familie vor hundert Jahren etwa 180 Dinge in ihrem Haushalt. Dazwischen liegen zwei Weltkriege, die Wirtschaftswunderjahre, viele politische und gesellschaftliche Umstrukturierungen und der Eintritt in das Informationszeitalter. Genug Zeit für alte wie ältere Menschen, viele Sachen anzuschaffen – und sie für immer in Zimmern, Kellern und Dachböden zu lagern.
Sieht man sich die Menschen an, die kurz vor, während oder nach dem Krieg geboren wurden, stellt man fest, dass diese Menschen zum Sammeln von Gegenständen neig(t)en. Wer einmal alles verloren hat, für den ist später alles wichtig. Wegschmeißen ist ein Frevel und seinen Besitz zu steigern ein Zeichen für Wohlstand. Und so manche Dinge konnte und kann man einfach „später noch mal gebrauchen“. Das hatte in diesen Zeiten oft wenig mit Sentimentalität zu tun, sondern entsprach einem praktischen Denken.
Heute findet ein Um-Denken statt. Generation X und Y, die Millenials – hier herrscht nicht der Wunsch nach viel Besitz vor, sondern nach gezieltem Konsum. Geld wird eher in Erlebnisse investiert – Reisen, Festivals, Unternehmungen mit Freunden und der Familie. Und natürlich ist es auch die beginnende Wegwerf-Gesellschaft, die im Zweifel lieber neu kauft als aufhebt, repariert und ersetzt.
Ein Moment, an dem die unterschiedlichen „Besitz-Welten“ der (Nach-)Kriegsgeneration und der Generationen X und Y zusammentreffen, ist der Moment des Todes der Älteren. Stirbt die Mutter oder der Vater wird nicht nur eine große Lücke in das Leben der Kinder gerissen, sondern es stellen sich plötzlich auch Fragen, mit denen man sich vorher nicht beschäftigen musste: Was passiert mit dem Nachlass, mit all seinen Gegenständen und Dokumenten?
Die Eltern hatten jahrzehntelang Dinge angesammelt und zu Hause untergebracht – und die Erben müssen nun entscheiden, wie mit diesem Nachlass verfahren wird. Wird alles behalten? Wird alles weggegeben? Ein bisschen was behalten, den Rest verschenken oder verkaufen? Wer möchte diese alten Sachen überhaupt? Mache ich mich vielleicht lächerlich, wenn ich versuche, die alten Dinge noch irgendwo unterzubringen? Oder tue ich eine gute Sache, in dem ich Sachen spende und der Wiederverwertung zuführe? Denn Recycling ist zweite Seite der Wegwerf-Gesellschaft.
Diese und andere Fragen werden wir im zweiten Teil versuchen zu beantworten, zeigen was richtige Nachlassbegleitung sein kann und sollte. Und wir stellen die Nachlassbegleiterin Anja Dompke aus Hannover vor.