Wie Tiere auf den Verlust und Trauer reagieren
Der Verlust eines Artgenossen kann bei Tieren Verhaltensänderungen auslösen, die der Trauer ähneln. Auch wenn die genaue Natur dieser Reaktionen unter Forschenden umstritten bleibt, zeigen zahlreiche Beobachtungen, dass Tiere auf Verluste mit so etwas wie Trauer reagieren. Das typische „trauernde Haustier“ haben die meisten Menschen schon einmal wahrgenommen – doch was steckt dahinter?
Eine bemerkenswerte Beobachtung stammt von James Anderson, einem schottischen Primatenforscher, der 2008 eine Gruppe von Schimpansen in einem Safaripark im Vereinigten Königreich beobachtete. Diese Gruppe von Schimpansen zeigte zärtliche Gesten gegenüber einer gerade verstorbenen Artgenossin und fiel nach dem Vorfall in eine tiefe Lethargie. Ähnlich traurige Verhaltensweisen wurden auch bei anderen Primaten beobachtet, bei denen Mütter ihre verstorbenen Nachkommen für Wochen trugen und pflegten, als ob sie noch am Leben wären.
„In der Wissenschaft ist strittig, welche Qualität diese animalischen Emotionen haben. Man muss klar unterscheiden, ob ein Tier um einen verstorbenen Gefährten ‚trauert‘, weil es jetzt allein ist, oder ob ein Tier sogar ‚Mitleid‘ empfinden kann.“ (Mario Ludwig, Biologe)
Zudem gibt es neuere Erkenntnisse, die nahelegen, dass auch andere intelligente Tiere wie Wale trauern können. Zeichen von Trauer bei Walen, darunter zärtliche Berührungen und das Tragen des verstorbenen Artgenossen, sind bei eng verwandten oder lange zusammenlebenden Tieren häufiger zu sehen. Forschende der Universität Mailand konnten solche Verhaltensweisen bei ganz verschiedenen Walarten dokumentieren. Diese Entdeckungen werfen ein neues Licht auf die Fähigkeit von Tieren, Emotionen zu erleben und zu zeigen – und erweitern das Verständnis über die emotionale Bandbreite im Tierreich.
Umstrittene „Qualität“ tierischer Emotionen
Die Qualität und Natur der tierischen Emotionen ist jedoch weiterhin ein Punkt der Diskussion in der Wissenschaft. Es bleibt unklar, ob Tiere tatsächlich ‚Mitleid‘ empfinden können, da Mitleid die Fähigkeit erfordert, sich in ein anderes Lebewesen hineinzuversetzen. Diese Fähigkeit wird vor allem Menschenaffen und wenigen anderen Tierarten wie Elefanten zugeschrieben. Einige Wissenschaftler argumentieren, dass die Trauer bei Tieren eher als Trauerschmerz oder die Angst vor dem Alleinsein zu verstehen ist, und betonen die Notwendigkeit weiterer Forschung in diesem Bereich.
Der Verlust von Artgenossen kann auch chemisch bei Tieren nachgewiesen werden, da er zu einem Anstieg von Stresshormonen wie Adrenalin oder Noradrenalin führt, ähnlich wie bei Menschen. Dieser Anstieg ist ein klares Zeichen für Stress und Verwirrung bei Tieren, die durch den Verlust von Gefährten oder Familienmitgliedern hervorgerufen werden. Der Biologe Mario Ludwig erklärt, dass solche Reaktionen eher als Verlustangst denn als echte Trauer interpretiert werden sollten, da sie oft mit einem Verlust von Sicherheit für die Tiere verbunden sind, und unterstreicht die Komplexität der tierischen Emotionen.
Foto: GarkushaArt