Umbettung eines Verstorbenen nach zehn Jahren unter der Erde
Manche Anfragen sind für uns ganz alltäglich und bei anderen freut man sich fast über die Abwechslung, da diese neue Fragestellungen mit sich bringen und keine Betriebsblindheit entstehen lässt. Das zeigt sehr gut dieses Beispiel: Eine ältere Dame rief bei uns an, ihr Ehemann sei vor zehn Jahren von uns auf dem Friedhof in Empelde beigesetzt worden, und sie wolle ihn jetzt; da sie ja in einem Seniorenheim in Hameln wohnt gerne ihn bei sich haben und bei ihrem Tode neben ihm beigesetzt werden. Ein Familiengrab sei bereits ausgesucht und ihre eigene Familie könne sich ja dann auch, da sich deren Wohnort in Hameln befände, dort um die Grabpflege und Besuche der Grabstelle kümmern. Im übrigen sei sie jetzt aufgrund ihres körperlichen Zustandes nicht mehr in der Lage den weiten Weg nach Hannover auf sich zu nehmen.
Eine Umbettung ist keine einfache Sache – und bestimmt kein Vorgang der schnell von der Hand geht. In diesem Fall hat es neun Monate gedauert. Als Erstes rechnen wir alle Kosten durch: Dazu gehört die Zeit die für die Planung und Durchführung anfällt, aber auch externe Kosten die bei der Friedhofs-Verwaltung anfallen. Diese Kostenaufstellung wird dann an die Angehörigen geleitet, damit diese einen Überblick bekommen.
Sofern alles stimmt, wird ein richtiger Vertrag dafür unterschrieben. Daraufhin erstellen wir alle Anträge für den abgebenden wie für den aufnehmenden Friedhof, das Gesundheitsamt der abgebenden Region muss in diesem Fall auch angeschrieben werden, um die Dringlichkeit der Umbettung einen Rahmen zu geben. Wichtig ist in diesem Fall, dass es sich bei der Grabstelle um ein Familiengrab handelt und keine einzelne Grabstelle, da sonst der Antrag abgelehnt würde. Es muss sich stets ausdrücklich um eine dringliche Familienzusammenführung handeln.
Nach den neun Monaten war es dann soweit und der Tag der Umbettung war gekommen. Das Wichtigste ist, dass die Umbettung sehr früh stattfindet, meist gegen sechs Uhr. Der Friedhof wird dazu vom Friedhofspersonal abgesperrt und an allen Ausgängen wird ein Mitarbeiter postiert, um dem nahenden Friedhofsbesucher den Zutritt zu verwehren. Es handelt sich eben um etwas Besonderes, das bei Unbeteiligten unnütze Fragen aufwirft.
Als erstes tragen die Friedhofsgärtner mit dem Grabbagger die Erde bis zum Antreffen des Sargdeckels ab, dann wird der weitere Weg um und auf dem Sarg mit einer Schaufel in Handarbeit ausgegraben. Als nächstes wird der Sargdeckel geöffnet, sofern das noch möglich ist, und die sterblichen Überreste in einen neuen Sarg umgebettet. Dieses immer unter den Vorschriften des Gesundheitsamtes mit Schutzbekleidung, Brille und Mundschutz.
Im Anschluss wird der Sarg eingeladen und in dem Fall von mir direkt nach Hameln auf den dortigen Friedhof gefahren, wo die Träger-Agentur eines örtlichen Bestatters schon auf mich wartete. Von dort aus wurde der Sarg mit einem sogenannten Bahrwagen zur Grabstelle begleitet und dort beigesetzt. Umbettungen werden übrigens nur in kühleren, aber bodenfrostfreien Monaten durchgeführt.
Tom Heider, 2020
Fotos: Milan / Heider