Kommunale und kirchliche Friedhöfe als Kulturlandschaften und Natur-Oasen
Schon um 1850 stieß die Idee der parkähnlichen Friedhöfe auf große Zustimmung – das kam nicht von Ungefähr. Die Vorteile lagen schon damals auf der Hand: Die relative Nähe zum Wohnraum und die vielfältigen Nutzungs- und Funktionsweisen eines kultivierten Ambientes. Die planvolle Kombination aus Grünflächen und Bäumen, aus gestalteten Hügel- und Teichanlagen, großzügigen Wegen, einzelnen Kunstgegenständen – und eben auch Gräbern – mildert die Tristesse des Todes und kommt dem Bedürfnis der Anwohner nach gestalteter Naturnähe entgegen.
Große Stadtfriedhöfe haben gute Erfahrungen damit gemacht, ihr Areal zu diversifizieren, also verschiedene Grabarten, Themengärten, ansprechend angelegte Gemeinschaftsanlagen für Urnengräber sowie bei entsprechendem Baumbestand auch Baumbestattungen anzubieten. Es zeigt sich, dass trotz der Ausdifferenzierung der Bestattungskultur und der anhaltenden Attraktivität von Friedwäldern und Ruheforsten umweltsensible Umgestaltungen und ein angemessenes Marketing klassische Friedhöfe durchaus wettbewerbsfähig halten. Das ist auch das Ergebnis einer Studie der Universität Rostock vom August 2020.
(Alte) Friedhöfe sind ja tatsächlich auch gewachsene Naturoasen, die eine bunte Vielfalt an Flora und Fauna beheimaten. Sie verfügen über Bäume, Hecken, Grünflächen – selbst Mauern und Steine bieten bei naturnaher Gestaltung hervorragende Möglichkeiten zur Verbesserung der Lebensräume von Pflanzen und Tieren. Und während heimische Tiere und Pflanzen in den Städten manchmal nur noch wenig Lebensraum finden, bieten Friedhöfe und Parks oft die letzten grünen Standorte.
Selbst im ländlichen Bereich bieten sich Entwicklungspotenziale: Insekten und Vögel, Nagetiere und Kleinsäuger bevölkern die Friedhöfe, und wenn dies erkannt wird, sorgt eine gut ausgesuchte einheimische Bepflanzung für die entsprechende Vielfalt. Das heißt auch, dass wenn Friedhöfe entsprechend gepflegt werden, sie durch ihre bloße Existenz einen wichtigen Beitrag zum Naturschutz und zur Biodiversität leisten.
Kommunale, städtische Friedhöfe sind in dem Zusammenhang von besonderem öffentlichem Interesse. In urban Gebieten haben sie auch die Funktion als „grüne Lunge“ – als Erholungs- und Aufenthaltsort. Und städtebaulich bieten solche nicht versiegelten Grünflächen einen zusätzlichen, externen Nutzen zur Gliederung bebauter Flächen und Siedlungsstrukturen.
Diese vielfältigen, neuen Aspekte spiegeln sich denn auch in einer Art Gesamt-Bewertung der Rostocker Wissenschaftler wider: Friedhöfe sind empfindliche Seismographen für den kulturellen Umgang mit dem Tod. Ein bewusst gestalteter, achtsam gepflegter und für Menschen zugänglicher Friedhof ist nicht zuletzt Ausdruck für die Achtung des Lebens
((Quelle: Jakob Kühn in Fachzeitschrift STADTundRAUM 2/21))
Foto: cocoparisienne
Titelfoto (Friedhof Hannover-Stöcken): Misburg3014 – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0